Die Väterrechtsbewegung setzt auf den Begriff “Eltern-Kind-Entfremdung” und nutzt diesen aktiv in ihrer Lobbyarbeit. In Berlin-Moabit hat der Verein Väteraufbruch für Kinder (VafK) kürzlich auf einem Stadtteilfest diesen Begriff prominent platziert, indem sie Flyer und Propagandamaterial verteilten. Die Flyer thematisierten fast ausschließlich die Problematik der Entfremdung zwischen Eltern und Kindern.
In einer gemeinsamen Recherche haben Correctiv und das Magazin Stern enthüllt, wie die Väterrechtsbewegung mit umstrittenen Thesen und teils frauenfeindlichen Ansichten versucht, Einfluss auf Politik und Justiz auszuüben und den Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt zu untergraben.
Die Recherche enthüllte auch, dass Markus Witt, ein führendes Mitglied des VafK, einen Workshop mit dem Titel “Wie man den Krieg gegen den anderen Elternteil am besten gewinnt” angeboten hatte. Obwohl darauf hingewiesen wurde, dass die darin beschriebenen Praktiken nicht zur Nachahmung empfohlen werden, wurden konkrete Punkte und Übungen vorgestellt, die auf die Diffamierung des anderen Elternteils abzielten. Markus Witt verteidigte dies als eine Art Bestandsaufnahme, um Betroffene und Fachkräfte auf solche Praktiken aufmerksam zu machen.
Der Väteraufbruch berät sogar Männer, die Gewalt gegen ihre Partnerinnen oder Kinder ausgeübt haben. Diese Praxis steht im Widerspruch zur eigentlich sinnvollen Förderung einer gemeinsamen Kindererziehung bei getrenntlebenden, gut verständigten Eltern. Das von der Väterrechtsbewegung geforderte paritätische Wechselmodell funktioniert nur, wenn die Eltern harmonieren und ist nach häuslicher Gewalt ungeeignet.
Die Lobbyarbeit der Väterrechtsbewegung zeigt jedoch Erfolge, wie der Vorschlag von Justizminister Marco Buschmann zur Senkung der Unterhaltszahlungen für miterziehende Väter zeigt. Kritiker warnen davor, die Rolle der Mütter in der Gesellschaft in finanziellen Streitigkeiten zu schwächen.
Rechtsanwältinnen wie Christina Clemm und Asha Hedayati betonen die Bedeutung, über Täter und deren Vorgehensweisen zu sprechen, um Gewalt zu bekämpfen und die Betroffenen zu ermutigen, Hilfe zu suchen.
Die Expertengruppe Grevio, die die Umsetzung der Istanbul-Konvention des Europarats überwacht, hält den Begriff “Eltern-Kind-Entfremdung” für unwissenschaftlich. Sie betont, dass Gewalt gegenüber Kindern bei Sorgerechts- und Besuchsrechtsentscheidungen angemessen berücksichtigt werden muss und warnt vor unbegründeten Vorwürfen.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Eltern-Kind-Entfremdung grundsätzlich nutzlos ist. Sie kann jedoch problematisch werden, wenn der Begriff dazu missbraucht wird, um unbegründete Vorwürfe gegen einen Elternteil, oft die Mutter, zu erheben, wie es in einigen Fällen von Väterrechtsaktivisten geschieht. In solchen Fällen ist die Verwendung des Begriffs fragwürdig.
Die Entfremdung eines Kindes von einem Elternteil kann hingegen sinnvoll sein, wenn dies die eigenständige Entscheidung des Kindes ist, frei von elterlichem Einfluss, aufgrund des Erkennens, dass die vermeintliche Zuneigung eines Elternteils nicht authentisch ist. Ebenso ist sie angebracht, wenn ein Täter die begangene Gewalt hartnäckig leugnet und somit das ursprüngliche Vertrauen, das ihm vom Kind entgegengebracht wurde, missbraucht.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die genetische Abstammung nicht als Werkzeug in Machtkämpfen auf Kosten der Kinder dienen sollte.
Das Magazin Stern und CORRECTIV – Recherchen für die Gesellschaft hat eine Recherche zu Väterrechtsnetzwerken veröffentlicht:
https://www.stern.de/gesellschaft/vaeter-bilden-netzwerke – wie-sie-am-familiengericht-gewinnen-wollen-33836902.html
https://correctiv.org/aktuelles/haeusliche-gewalt/2023/09/19/die-netzwerke-der-vaeterrechtler/