„Unsagbar“ von Jana Baumann und Anne Roth ist mehr als ein persönlicher Erfahrungsbericht – es ist ein eindringliches Zeugnis, das tiefe Einblicke in die Folgen sexualisierter Gewalt und den damit verbundenen Heilungsprozess gibt. Baumann beschreibt, wie eine Vergewaltigung in ihrem beruflichen Umfeld ihre Welt in ihren Grundfesten erschüttert hat. Die Stärke des Buches liegt in der rohen Ehrlichkeit und der emotionalen Tiefe, mit der Baumann die traumatische Erfahrung und die Herausforderungen auf ihrem Weg zur Heilung schildert. Das Buch verdeutlicht die andauernde Belastung, die solche Taten für Betroffene bedeuten, und den oft steinigen Weg zurück zu einem neuen Alltag.
Ein direkter, ungeschönter Einblick in eine Tabuzone
Baumann beschreibt schonungslos die Tage nach der Tat: den Weg zur Gewaltschutzambulanz, die schwierigen Besuche bei Beratungsstellen wie LARA e.V. und die Enttäuschungen, die sie im Justizsystem erlebte. Dieser Bericht macht bewusst, wie viel Unterstützung Betroffene benötigen – und wie oft die Systeme, die Schutz bieten sollen, versagen oder erschweren. Die Traumatherapeutin Anne Roth ergänzt das Buch mit psychologischen Hintergründen und hilfreichen Erklärungen zum Thema Traumaverarbeitung, was eine zusätzliche Perspektive und Tiefe bringt.
Widerstand durch Sprache: Vom Schweigen zum Sprechen
Besonders eindrücklich ist Baumanns Prozess des „Worte Findens“. Die Sprache wird für sie zum Mittel des Widerstands und der Verarbeitung – ein zentraler Teil ihres Heilungsprozesses. Baumann reflektiert, wie schwer es ihr oft fiel, den Satz „Ich bin vergewaltigt worden“ laut auszusprechen. Trotz ihrer Zweifel und Ängste entschied sie sich, nicht zu schweigen. Sie gibt Einblicke in die inneren Konflikte, die sie begleiteten, als die #MeToo-Debatte aufkam und der gesellschaftliche Diskurs um sexualisierte Gewalt Fahrt aufnahm.
Fazit: Ein Buch, das Mut macht, ein Tabu zu brechen
„Unsagbar“ ist eine wichtige Lektüre für alle, die sich mit den Themen sexualisierte Gewalt und Traumabewältigung auseinandersetzen möchten. Baumann gibt Betroffenen eine Stimme und macht zugleich deutlich, wie dringend es ist, über diese Themen zu sprechen und sie sichtbar zu machen. Das Buch appelliert an eine Gesellschaft, die oft wegsieht, und zeigt, wie mutig und befreiend es sein kann, sich aus der Isolation des Schweigens zu lösen und damit auch anderen Betroffenen den Raum zu geben, ihre eigenen Erfahrungen anzuerkennen und zu verarbeiten.