Viele Menschen installieren heimlich Spionage-Apps auf den Telefonen ihrer Partner*innen. Obwohl diese Programme oft als “Kindersicherung” getarnt sind, können sie für digitale Gewalt in Beziehungen missbraucht werden — das belegt eine neue Studie der Fachhochschule St. Pölten.
Was können diese Apps?
Die Spionageprogramme werden auf Smartphones installiert und leiten den Standort, Textnachrichten, besuchte Websites und vieles weiteres an die überwachende Person weiter. Manche Apps können sogar Kamera und Mikrofon fernsteuern. Dabei fallen extrem viele sehr persönliche Daten an, die bei den Hersteller alles andere als sicher sind.
Drei der untersuchten Programme versuchten nicht einmal, die Daten der überwachten Personen zu schützen — sie übertrugen die Informationen unverschlüsselt. “Das Sammeln so vieler persönlicher Informationen birgt Risiken, da es häufig zu Massendatenlecks kommt”, sagt Eva-Maria Maier, Erstautorin der Studie.
Heimliche Überwachung in Beziehungen
Die Forschenden untersuchten 20 als “Kindersicherung” beworbene Programme aus dem Google Play Store und 20 weitere, die nur außerhalb des Play Stores heruntergeladen werden können. Von den 20 getesteten Apps, die nicht aus dem Play Store stammten, haben sich 17 vor den Smartphone-Nutzenden versteckt. Die Apps seien damit besonders gut für die heimliche Überwachung von Partner*innen geeignet.
Leonie Tanczer, leitende Autorin der Studie, forscht am University College London zu Partnerschaftsgewalt und Digitalisierung. Sie stellt klar: “Wenn eine App versucht, ihre Präsenz auf dem Gerät zu verbergen, ist das nichts anderes als Stalkerware.” Sie betont, dass in den von ihr untersuchten Beziehungen digitale Gewalt nie allein auftrat. “Sie ist immer Teil eines größeren Gewaltzirkels.”
Tarnung als “Kindersicherung”
Besonders alarmierend: Viele dieser Apps wurden ursprünglich zum Ausspähen vermeintlich untreuer Partnerinnen vermarktet. Nach Gegenreaktionen seien sie dazu übergegangen, sich als Tools zur “Kindersicherung” zu tarnen, so die Forschenden. Einige Apps ermöglichen beispielsweise die Überwachung von Dating-Apps wie Tinder, was auf einen Einsatz aus Eifersucht gegen Partner*innen hinweist.
Eva-Maria Maier erklärt, dass tatsächliche Apps für Eltern häufig bestimmte Features wie einen Panik-Knopf haben, den das Kind im Notfall drücken kann, oder digitale Stundenpläne. Fehlen solche Funktionen, “ist das ein Indiz, dass Eltern eigentlich nicht die Zielgruppe sind”.
Rechtliche Lage und Schutz
Derzeit sind solche versteckt agierenden Apps in der EU nicht verboten. Politiker*innen mehrerer Parteien fordern jedoch, den Ausschluss von heimlichen Überwachungsmöglichkeiten zur Bedingung für eine Marktzulassung zu machen.
Das Simularchat als Lösungsansatz
Als Antwort auf die zunehmende patriarchale Gewalt, zu der auch die digitale Überwachung von Partner*innen zählt, bietet das Konzept des Simularchats einen vielversprechenden Ansatz. Der Begriff Simularchat (von lateinisch simul = „gemeinsam” und griechisch archein = „herrschen”) bezeichnet eine Gesellschaftsform, in der die Geschlechter gleichberechtigt Macht und Verantwortung teilen.
Im Gegensatz zu patriarchalen Strukturen, die häufig die Kontrolle über Partner*innen begünstigen, basiert das Simularchat auf folgenden Prinzipien:
- Gemeinsame Entscheidungsfindung: In Beziehungen und auf allen gesellschaftlichen Ebenen werden Entscheidungen gleichberechtigt getroffen, was Kontrollverhalten reduziert.
- Gleichberechtigte Machtverteilung: Das Machtgefälle, das oft zur Rechtfertigung von Überwachung genutzt wird, wird ausgeglichen.
- Gegenseitige Wertschätzung: Die Kompetenzen aller Geschlechter werden anerkannt, was Vertrauen statt Kontrolle fördert.
- Balance zwischen verschiedenen Werten: Eine integrative Gesellschaft, die nicht auf Dominanz basiert.
Die Implementierung simularchischer Strukturen könnte dazu beitragen, die Grundlagen für digitale Gewalt in Beziehungen zu beseitigen. Wenn Beziehungen auf Gleichberechtigung und gegenseitigem Respekt aufbauen, sinkt der Wunsch nach Kontrolle und Überwachung der Partner*innen.
Was kann ich tun?
Wenn Sie befürchten, dass eine solche App auf Ihrem Gerät installiert ist:
- Achten Sie auf ungewöhnliches Verhalten Ihres Smartphones
- Suchen Sie nach unbekannten Apps in Ihren Einstellungen
- Wenden Sie sich an eine Beratungsstelle für Betroffene von digitaler Gewalt
- Setzen Sie Ihr Smartphone gegebenenfalls auf Werkseinstellungen zurück
Die Forschenden plädieren für eine öffentliche Diskussion “über die Verfügbarkeit dieser Apps, wie sie verwendet werden und wie sie aus ethischer Sicht verwendet werden sollten.” Gleichzeitig ist es wichtig, gesellschaftliche Strukturen zu hinterfragen, die Kontrolle und Überwachung in Beziehungen normalisieren, und stattdessen simularchische Modelle zu fördern, die auf Vertrauen und Gleichberechtigung basieren.