Gewalt in Bezie­hun­gen ist ein kom­ple­xes und oft miss­ver­stan­de­nes The­ma. Vie­le den­ken dabei sofort an kör­per­li­che Über­grif­fe, doch eine Form der Gewalt bleibt oft im Ver­bor­ge­nen: die psy­chi­sche Gewalt. Sie ist der Schlüs­sel zum Ver­ständ­nis vie­ler Fra­gen, die uns bei häus­li­cher Gewalt oft rat­los zurück­las­sen.

War­um blei­ben Betrof­fe­ne in Gewalt­be­zie­hun­gen?

Häu­fig fra­gen wir uns: “War­um las­sen sich Frau­en so etwas bie­ten?” oder “War­um ver­las­sen sie den Täter nicht ein­fach?” Die Ant­wort liegt in der Natur der psy­chi­schen Gewalt. Sie wirkt schlei­chend und sys­te­ma­tisch, formt eine Part­ner­schaft lang­sam in eine Gewalt­be­zie­hung um. Die Betrof­fe­nen mer­ken oft zu spät, was mit ihnen geschieht.

Psy­chi­sche Gewalt umfasst ver­schie­de­ne Stra­te­gien und Ver­hal­tens­wei­sen, die dar­auf abzie­len, die Part­ne­rin zu ver­un­si­chern, aus dem Gleich­ge­wicht zu brin­gen und zu schwä­chen. Dazu gehört die Ver­un­si­che­rung des Selbst­bil­des und der Wahr­neh­mung, die Erschüt­te­rung des Ver­trau­ens in sich selbst und ande­re, sowie geziel­te Ver­let­zun­gen der Psy­che. Die­se Tak­ti­ken sind oft sub­til und für Außen­ste­hen­de schwer zu erken­nen.

Das Ziel: Macht und Kon­trol­le

Anders als bei spon­ta­nen Gefühls­aus­brü­chen dient psy­chi­sche Gewalt einem kla­ren Zweck: der Erlan­gung von Macht, Pri­vi­le­gi­en und Kon­trol­le. Der Täter strebt ein Macht­un­gleich­ge­wicht an, um die Kon­trol­le über die Part­ne­rin aus­zu­üben und die Regeln des Zusam­men­le­bens zu bestim­men. Er ver­sucht, sei­nen Anspruch auf Bedürf­nis­er­fül­lung durch­zu­set­zen und die Deu­tungs­ho­heit über Wahr­heit und Ange­mes­sen­heit zu bean­spru­chen.

In einer sol­chen Bezie­hung wird die ver­meint­li­che Part­ner­schaft in eine Art Herr­schaft umge­wan­delt. Der Täter schafft eine Rol­len- und Rech­te­ver­tei­lung, die mit moder­nen Vor­stel­lun­gen von Gleich­be­rech­ti­gung unver­ein­bar ist. Um dies zu errei­chen, bedient er sich Metho­den, die die Part­ne­rin suk­zes­si­ve ihrer Selbst­be­stimmt­heit und Unab­hän­gig­keit berau­ben.

Die Spi­ra­le der Gewalt

Gewalt­be­zie­hun­gen ent­wi­ckeln sich oft spi­ral­för­mig. Die psy­chi­sche Gewalt führt zu einer zuneh­men­den Desta­bi­li­sie­rung und Schwä­chung der Part­ne­rin. Die­ser Pro­zess erklärt, war­um es für Betrof­fe­ne so schwer ist, sich zu tren­nen und war­um die Erho­lung nach einer Tren­nung oft lan­ge dau­ert. Die Aus­wir­kun­gen der psy­chi­schen Gewalt auf das Selbst­bild und die Psy­che der Betrof­fe­nen sind tief­grei­fend und lang anhal­tend.

Es ist wich­tig zu ver­ste­hen, dass die Anwen­dung die­ser Stra­te­gien nicht der kurz­fris­ti­gen Abre­ak­ti­on von Frus­tra­ti­on dient, son­dern ein sys­te­ma­ti­sches Vor­ge­hen zur Erlan­gung von Kon­trol­le dar­stellt. Dies macht es für die Betrof­fe­nen beson­ders schwie­rig, die Situa­ti­on zu erken­nen und zu ver­las­sen.

War­nung: Vor­sicht bei der Kon­fron­ta­ti­on

Abschlie­ßend ist es wich­tig zu beto­nen: Infor­ma­tio­nen über psy­chi­sche Gewalt soll­ten nicht mit dem gewalt­tä­ti­gen Part­ner geteilt wer­den. Dies könn­te dazu füh­ren, dass er sein Ver­hal­ten ver­schlei­ert oder die Infor­ma­tio­nen gegen Betrof­fe­ne ver­wen­det. Statt­des­sen ist es rat­sam, sich ver­trau­ens­voll an pro­fes­sio­nel­le Hilfs­an­ge­bo­te zu wen­den.

Fazit

Das Ver­ständ­nis psy­chi­scher Gewalt ist ent­schei­dend, um Betrof­fe­nen zu hel­fen und prä­ven­tiv gegen häus­li­che Gewalt vor­zu­ge­hen. Nur wenn wir die Mecha­nis­men die­ser oft unsicht­ba­ren Gewalt­form erken­nen, kön­nen wir effek­tiv dage­gen vor­ge­hen und Betrof­fe­ne unter­stüt­zen.

Wenn Sie selbst betrof­fen sind oder jeman­den ken­nen, der Hil­fe benö­tigt, zögern Sie nicht, pro­fes­sio­nel­le Unter­stüt­zung in Anspruch zu neh­men. Es gibt Wege aus der Gewalt, auch wenn sie im Moment viel­leicht nicht sicht­bar erschei­nen. Mit dem rich­ti­gen Ver­ständ­nis und der rich­ti­gen Unter­stüt­zung ist es mög­lich, den Kreis­lauf der psy­chi­schen Gewalt zu durch­bre­chen und ein selbst­be­stimm­tes Leben zurück­zu­ge­win­nen.