Die aktu­el­len Zah­len zur häus­li­chen Gewalt sind alar­mie­rend, so die Ein­schät­zung von Katha­ri­na Göp­ner (Geschäfts­füh­re­rin beim Bun­des­ver­band Frau­en­be­ra­tungs­stel­len und Frau­en­not­ru­fe (bff) Frau­en gegen Gewalt e. V.), einer füh­ren­den Exper­tin auf die­sem Gebiet. Sie betont dabei auch den Hand­lungs­be­darf im Bereich des Sor­ge- und Umgangs­rechts. In einem Inter­view mit der taz geht sie auf die drän­gen­den Fra­gen ein.

Die Dun­kel­zif­fer der häus­li­chen Gewalt

Im Ver­gleich zu 2021 stie­gen die Mel­dun­gen zur häus­li­chen Gewalt im ver­gan­ge­nen Jahr um etwa neun Pro­zent. Katha­ri­na Göp­ner weist jedoch dar­auf hin, dass die­se Zah­len nur die Spit­ze des Eis­bergs dar­stel­len. Die Dun­kel­zif­fer sei erheb­lich höher, und eine neue Dun­kel­feldfor­schung sei drin­gend erfor­der­lich, um ein genaue­res Bild zu erhal­ten. Laut frü­he­ren Stu­di­en erlebt etwa jede vier­te Frau häus­li­che Gewalt.

Die Aus­wir­kun­gen der Coro­na-Pan­de­mie

Die Coro­na-Pan­de­mie hat die psy­chi­sche Belas­tung der Betrof­fe­nen wei­ter ver­stärkt. Dies zeigt sich auch in kom­ple­xe­ren Bera­tungs­an­fra­gen bei Bera­tungs­stel­len, die jedoch per­so­nell nicht aus­rei­chend aus­ge­stat­tet sind. Zusätz­lich belas­ten ande­re Fak­to­ren wie die Woh­nungs­knapp­heit in Groß­städ­ten die Situa­ti­on.

Gewaltfor­men im digi­ta­len Raum

Ein besorg­nis­er­re­gen­des Phä­no­men wäh­rend der Pan­de­mie war die Zunah­me von sexua­li­sierter Gewalt im Kon­text von Online-Dating. Ein­schrän­kun­gen beim per­sön­li­chen Tref­fen in der Öffent­lich­keit führ­ten zu sol­chen Situa­tio­nen. Zudem wächst die digi­ta­le Gewalt seit Jah­ren.

Anzei­gen­be­reit­schaft und Reform des Sexu­al­straf­rechts

Die Reform des Sexu­al­straf­rechts hat die Anzei­gen­be­reit­schaft erhöht, da nun auch Fäl­le ange­zeigt wer­den kön­nen, die zuvor nicht straf­bar waren, wie zum Bei­spiel Situa­tio­nen, in denen Betrof­fe­ne “Nein” gesagt haben, aber sich nicht kör­per­lich gewehrt haben. Die #MeToo-Bewe­gung und die öffent­li­che Debat­te haben eben­falls zu einem Empower­ment für Betrof­fe­ne bei­getra­gen.

Schwie­rig­kei­ten bei der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung nach einer Vergewaltigung

Das Feh­len ange­mes­se­ner medi­zi­ni­scher Ver­sor­gung nach einer Vergewaltigung wur­de durch die Kam­pa­gne #Hil­fe­nach­Vergewaltigung des bff (Bun­des­ver­band Frau­en­be­ra­tungs­stel­len und Frau­en­not­ru­fe) auf­ge­deckt. Betrof­fe­ne berich­te­ten von Kos­ten­über­nah­me-Pro­ble­men und dem Feh­len weib­li­cher Ärz­te in Kran­ken­häu­sern. Hier besteht drin­gen­der Hand­lungs­be­darf.

Die Istan­bul-Kon­ven­ti­on und Prä­ven­ti­on

Katha­ri­na Göp­ner betont die Not­wen­dig­keit, die Istan­bul-Kon­ven­ti­on voll­stän­dig umzu­set­zen, da Deutsch­land die­se Kon­ven­ti­on zwar rati­fi­ziert hat, jedoch an vie­len Stel­len Nach­hol­be­darf besteht. Dies umfasst den Aus­bau von Bera­tungs­stel­len und die Bereit­stel­lung zusätz­li­cher finan­zi­el­ler Mit­tel für Unter­stüt­zungs­sys­te­me. Die Istan­bul-Kon­ven­ti­on bie­tet auch Emp­feh­lun­gen für den Umgang mit Hoch­ri­si­ko­fäl­len, die spe­zi­el­le Auf­merk­sam­keit erfor­dern.

Mehr Prä­ven­ti­on und Geschlech­tergleich­stel­lung

Um häus­li­che Gewalt effi­zi­en­ter zu ver­hin­dern, sind mehr Prä­ven­ti­onspro­jek­te not­wen­dig, die sich auch mit männ­li­chem Ver­hal­ten aus­ein­an­der­set­zen. Es müs­sen Kam­pa­gnen ent­wi­ckelt wer­den, die poten­zi­ell gewalttäti­ge Per­so­nen anspre­chen. Die Schlüs­sel­rol­le spielt jedoch die Gleich­be­rech­ti­gung der Geschlech­ter, da ein kla­rer Zusam­men­hang zwi­schen Geschlech­tergleich­stel­lung und geschlechts­spe­zi­fi­scher Gewalt besteht.

Hand­lungs­be­darf im Sor­ge- und Umgangs­recht

Ein wei­te­res Anlie­gen von Katha­ri­na Göp­ner ist die Not­wen­dig­keit, das Sor­ge- und Umgangs­recht zu über­den­ken. Häus­li­che Gewalt soll­te sich auf die­se Rege­lun­gen aus­wir­ken, was der­zeit nicht der Fall ist. Hier gibt es noch viel zu tun, um effek­ti­ve Schutz­me­cha­nis­men zu schaf­fen.

Die alar­mie­ren­den Zah­len zur häus­li­chen Gewalt erfor­dern drin­gen­de Maß­nah­men auf ver­schie­de­nen Ebe­nen, von der Prä­ven­ti­on bis zur Unter­stüt­zung der Betrof­fe­nen und der Umset­zung von Geset­zen. Die Ein­be­zie­hung von Geschlech­tergleich­stel­lung in die­se Bemü­hun­gen spielt eine ent­schei­den­de Rol­le bei der Bekämp­fung die­ses schwer­wie­gen­den gesell­schaft­li­chen Pro­blems.

Das kom­plet­te Inter­view kön­nen Sie hier nach­le­sen: https://taz.de/Expertin-ueber-haeusliche-Gewalt/!5943595/