Die Rechtsanwältin Christina Clemm spricht in einem aktuellen Interview mit der taz.de über die anhaltende geschlechtsspezifische Gewalt in Deutschland und zeigt auf, welche Maßnahmen dringend notwendig sind, um Betroffene besser zu schützen.
Clemm weist darauf hin, dass viele Betroffene von Partnerschaftsgewalt keine Anzeige erstatten. Die Gründe dafür sind vielfältig: Oft besteht die Sorge vor einer Eskalation der Gewalt, besonders nach einer Trennung. Auch finanzielle Abhängigkeiten oder gemeinsame Kinder können Betroffene davon abhalten, rechtliche Schritte einzuleiten.
Um das Vertrauen in die Behörden zu stärken, fordert die Rechtsanwältin speziell geschulte Vernehmungsbeamt*innen und vor allem schnellere Verfahren. Die oft monatelangen Wartezeiten bei Entscheidungen der Staatsanwaltschaft würden die Betroffenen abschrecken und gleichzeitig Menschen, die Gewalt ausüben, in ihrem Verhalten bestärken.
Besonders erfolgversprechend seien Programme der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit, bei denen sich die Betroffenen in Gruppen mit ihren Handlungen auseinandersetzen müssen. Allerdings fehle es hier oft an finanziellen Mitteln.
Besorgniserregend ist laut Clemm der Anstieg der Fälle von Partnerschaftsgewalt. Sie sieht einen Zusammenhang mit gesellschaftlichen Krisen und der zunehmenden Akzeptanz patriarchaler Strukturen. Die erschreckende Zahl von 360 Femiziden im vergangenen Jahr in Deutschland unterstreicht den dringenden Handlungsbedarf.
Ein wichtiger Schritt wäre das geplante Gewalthilfegesetz, das Kommunen zur Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen verpflichten würde. Clemm betont dabei, dass der Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die nicht auf bestimmte Gruppen beschränkt werden darf.
Die Rechtsanwältin macht deutlich: Der Abbau des Sozialstaats fördert geschlechtsspezifische Gewalt. Sei es durch mangelnden Wohnraum, eingeschränkten öffentlichen Nahverkehr oder fehlende Jugendarbeit — die Auswirkungen politischer Entscheidungen auf den Schutz von Frauen, Mädchen und queeren Menschen sind direkt und weitreichend.