Gewalt beginnt oft dort, wo sie am wenigsten vermutet wird: im eigenen Zuhause. Für trans*, inter und nicht-binäre Personen (T*IN-Personen) wird das vermeintlich schützende Familiengefüge nicht selten zur Bedrohung. Die Geschichte von Emilio zeigt exemplarisch, warum Deutschland dringend mehr Schutzräume braucht – und wo die Politik versagt.
Wenn Familie zur Gefahr wird
Emilio wusste mit 13, dass er kein Mädchen ist. Die Antwort seines Vaters: Schläge und seelische Misshandlung. Was Emilio erlebte, ist kein Einzelfall. Es ist die Realität vieler T*IN-Personen, deren Identität in den eigenen vier Wänden zur Zielscheibe wird.
Das Problem: Betroffene finden kaum Auswege. Bestehende Frauenhäuser schließen transmaskuline und nicht-binäre Menschen oft aus. Spezielle Schutzeinrichtungen? Fehlanzeige – bis auf wenige Ausnahmen wie die neue Gewaltschutzunterkunft in München.
Gesetzliche Lücken mit fatalen Folgen
Die Istanbul-Konvention von 2017 verpflichtet Deutschland, geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen. Das neue Gewalthilfegesetz der Ampelregierung gewährt Frauen und Kindern erstmals einen Rechtsanspruch auf Schutz. T*IN-Personen bleiben außen vor – eine Lücke, die Leben gefährdet.
Dabei sprechen die Zahlen eine klare Sprache: 34 Prozent der trans Personen erlebten laut EU-Studie von 2014 körperliche oder sexualisierte Gewalt in den vergangenen fünf Jahren. 2023 registrierte Deutschland 1.785 LSBTIQ*-feindliche Straftaten – ein Anstieg um 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Dunkelziffer liegt bei erschreckenden 80 bis 90 Prozent.
München macht vor – Deutschland muss folgen
Die Münchener Gewaltschutzunterkunft zeigt: Es geht. Doch ein Projekt reicht nicht für ein ganzes Land. “Wir haben das Problem, dass Menschen bei uns vor der Tür stehen und wir sie nirgendwo hinschicken können”, beschreibt Charly Krenn von der Kölner Beratungsstelle Rubicon die dramatische Lage.
Deutschland braucht flächendeckende Schutzräume für T*IN-Personen – nicht nur bei partnerschaftlicher, sondern auch bei familiärer Gewalt. Denn Gewalt kennt keine Grenzen, auch nicht die der Verwandtschaft.
Simularchat: Ein Gesellschaftsmodell gegen Gewaltstrukturen
Während Schutzräume akute Hilfe bieten, braucht es langfristige strukturelle Veränderungen. Das Konzept des Simularchats – vom lateinischen “simul” (gemeinsam) und griechischen “archein” (herrschen) – zeigt einen Weg auf: eine Gesellschaftsform, in der alle Geschlechter gleichberechtigt Macht und Verantwortung teilen.
Im Gegensatz zu patriarchalen Strukturen, die Kontrolle und Überwachung begünstigen, setzt das Simularchat auf fundamentale Prinzipien: gleichberechtigte Entscheidungsfindung auf allen Ebenen, ausgewogene Machtverteilung und Wertschätzung aller Geschlechter. Diese Ansätze können das typische Gefälle beseitigen, das oft zur Rechtfertigung von Gewalt dient.
In simularchischen Strukturen verlieren Kontrolle und Überwachung – digital wie physisch – ihren Nährboden. Partnerschaften basieren auf echter Gleichberechtigung statt auf Dominanz. So könnten wir die Grundlagen aushöhlen, auf denen Beziehungsgewalt gedeiht.
Eine Zukunft ohne Gewalt ist möglich
Emilio lebt heute in Sicherheit. Seine Geschichte zeigt: Schutzräume retten Leben. Doch sie sind nur der erste Schritt. Als Initiative Zukunft Ohne Gewalt kämpfen wir für eine Gesellschaft, in der strukturelle Gleichberechtigung Gewalt von vornherein verhindert – für eine Zukunft, in der jeder Mensch sein Recht auf Sicherheit und Würde leben kann.
Der Weg dorthin beginnt jetzt: mit dem Ende des Schweigens, mit politischem Handeln, mit jedem Schutzraum und mit dem Mut zu gesellschaftlichen Alternativen. Für eine Zukunft ohne Gewalt.