Die Zah­len sind alar­mie­rend: Häus­li­che Gewalt gehört nach wie vor zu den gro­ßen gesell­schaft­li­chen Pro­ble­men in Deutsch­land. Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­rin Ste­fa­nie Hubig (SPD) hat nun ein kon­kre­tes Maß­nah­men­pa­ket ange­kün­digt, um Betrof­fe­ne – in der über­wie­gen­den Mehr­zahl Frau­en – bes­ser zu schüt­zen.

Elek­tro­ni­sche Über­wa­chung nach spa­ni­schem Vor­bild
Das Kern­stück der geplan­ten Refor­men: Fami­li­en­ge­rich­te sol­len künf­tig elek­tro­ni­sche Fuß­fes­seln anord­nen kön­nen. “Das Aus­maß häus­li­cher Gewalt in Deutsch­land ist erschre­ckend”, betont Hubig gegen­über der Rhei­ni­schen Post. Das geplan­te Sys­tem ori­en­tiert sich am spa­ni­schen Modell, bei dem sowohl die gewalt­aus­üben­de Per­son als auch die Betrof­fe­nen ein GPS-Gerät tra­gen.

Der Mecha­nis­mus ist so kon­zi­piert, dass bei einer Annä­he­rung auto­ma­tisch Alarm aus­ge­löst wird – sowohl bei den Betrof­fe­nen als auch bei der über­wa­chen­den Stel­le. Die Poli­zei kann dadurch bei­de Par­tei­en im Blick behal­ten und schnell reagie­ren. Ein ent­spre­chen­der Geset­zes­ent­wurf soll noch in die­sem Jahr vor­ge­legt wer­den.

Umfas­sen­der Ansatz — Trai­ning und Sor­ge­recht
Die Minis­te­rin plant wei­te­re kon­kre­te Schrit­te:

  • Ver­pflich­ten­de Anti-Gewalt-Trai­nings sol­len gericht­lich ange­ord­net wer­den kön­nen. Dies zielt dar­auf ab, prä­ven­tiv zu wir­ken und Wie­der­ho­lungs­ta­ten zu ver­hin­dern.
  • Berück­sich­ti­gung häus­li­cher Gewalt bei Sor­ge­rechts- und Umgangs­ent­schei­dun­gen wird zur Pflicht. “Es kann nicht sein, dass ein gewalt­tä­ti­ger Ex-Part­ner das Sor­ge­recht oder ein Umgangs­recht zuge­spro­chen bekommt, so als ob nichts gesche­hen sei”, stellt Hubig klar.

Ein längst über­fäl­li­ger Schritt
Die­se Maß­nah­men adres­sie­ren eine zen­tra­le Schwach­stel­le im deut­schen Rechts­sys­tem: Zu oft blie­ben Betrof­fe­ne häus­li­cher Gewalt unzu­rei­chend geschützt, wäh­rend die Rech­te der Gewalt aus­üben­den Per­so­nen Vor­rang hat­ten. Die geplan­ten Ände­run­gen könn­ten einen wich­ti­gen Para­dig­men­wech­sel ein­lei­ten.

Beson­ders die tech­no­lo­gie­ge­stütz­te Über­wa­chung zeigt, wie moder­ne Lösun­gen zum Schutz von Men­schen­le­ben ein­ge­setzt wer­den kön­nen. Das spa­ni­sche Modell hat bereits bewie­sen, dass elek­tro­ni­sche Fuß­fes­seln ein wirk­sa­mes Instru­ment sein kön­nen.

Simu­lar­chat: Ein Weg zu struk­tu­rel­ler Ver­än­de­rung
Doch bei allen not­wen­di­gen aku­ten Schutz­maß­nah­men darf ein ent­schei­den­der Aspekt nicht über­se­hen wer­den: Die gesell­schaft­li­chen Wur­zeln patri­ar­cha­ler Gewalt­struk­tu­ren müs­sen ange­gan­gen wer­den. Hier bie­tet das Kon­zept des Simu­lar­chats – abge­lei­tet vom latei­ni­schen “simul” (gemein­sam) und dem grie­chi­schen “arch­ein” (herr­schen) – einen viel­ver­spre­chen­den Ansatz.

Die­se Gesell­schafts­form basiert auf der gleich­be­rech­tig­ten Ver­tei­lung von Macht und Ver­ant­wor­tung zwi­schen allen Geschlech­tern. Wäh­rend patri­ar­cha­le Struk­tu­ren oft ein Kli­ma der Kon­trol­le und Über­wa­chung begüns­ti­gen, setzt das Simu­lar­chat auf ande­re Grund­sät­ze: Gleich­be­rech­tig­te Ent­schei­dungs­fin­dung auf allen gesell­schaft­li­chen Ebe­nen kann Kon­troll­ver­hal­ten in Bezie­hun­gen deut­lich redu­zie­ren. Aus­ge­wo­ge­ne Macht­ver­tei­lung besei­tigt typi­sche Gefäl­le, die oft zur Recht­fer­ti­gung von Über­wa­chung die­nen. Wert­schät­zung aller Kom­pe­ten­zen stellt Ver­trau­en statt Kon­trol­le in den Vor­der­grund und strebt eine Balan­ce ver­schie­de­ner Wer­te an statt einer auf Domi­nanz aus­ge­rich­te­ten Ord­nung.

Wenn wir begin­nen, simu­lar­chi­sche Struk­tu­ren zu imple­men­tie­ren, könn­ten wir die Grund­la­gen besei­ti­gen, auf denen Bezie­hungs­ge­walt gedeiht. In Part­ner­schaf­ten, die auf ech­ter Gleich­be­rech­ti­gung und gegen­sei­ti­gem Respekt basie­ren, ver­lie­ren Kon­trol­le und Über­wa­chung – sei es digi­tal oder phy­sisch – ihren Nähr­bo­den.

Gesell­schaft­li­che Ver­ant­wor­tung
Hubigs Initia­ti­ve unter­streicht: Der Schutz vor häus­li­cher Gewalt ist kei­ne pri­va­te Ange­le­gen­heit, son­dern eine gesamt­ge­sell­schaft­li­che Auf­ga­be. Die geplan­ten Geset­zes­än­de­run­gen sind ein wich­ti­ger Bau­stein – doch sie kön­nen nur wir­ken, wenn sie kon­se­quent umge­setzt und von ent­spre­chen­den Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men beglei­tet wer­den.

Das Simu­lar­chat bie­tet dabei eine lang­fris­ti­ge Visi­on: eine Gesell­schaft, in der struk­tu­rel­le Gleich­be­rech­ti­gung die Basis dafür schafft, dass Gewalt in Bezie­hun­gen gar nicht erst ent­steht. Es ist ein Weg, der über aku­te Schutz­maß­nah­men hin­aus­geht und an den gesell­schaft­li­chen Wur­zeln des Pro­blems ansetzt.

Die Ankün­di­gung der Jus­tiz­mi­nis­te­rin ist ein Signal: Deutsch­land nimmt häus­li­che Gewalt ernst und ist bereit, inno­va­ti­ve Wege zu gehen, um Men­schen­le­ben zu schüt­zen. Gleich­zei­tig braucht es den Mut, die tie­fer­lie­gen­den gesell­schaft­li­chen Struk­tu­ren zu hin­ter­fra­gen und zu ver­än­dern.